Othmar Schoeck

*  1. September 1886

†  8. März 1957

von Thomas Seedorf

Essay

Jede Auseinandersetzung mit Othmar Schoeck ist mit dem Phänomen konfrontiert, daß der Komponist sich einer kategorialen Zuordnung oder Etikettierung geradezu vehement widersetzt. In den Gesprächen, die Werner Vogel mit Schoeck in dessen letzten Lebensjahren führte, wurde auch dieser Aspekt thematisiert. „Da sein Lebenswerk als Ganzes nicht eindeutig einer historischen Stilrichtung zugeordnet werden kann, droht ihm eine zwiefache und gewaltsame Zuteilung. Die einen wollen ihn wohlmeinend zeitgemäß machen, indem sie behaupten, er habe zeitweise auch atonale Musik geschrieben. Schoeck regte sich darüber auf und rief: ‚Nie habe ich auch nur einen Takt atonale Musik geschrieben!‘ Die andern stellen ihn ebenso wohlmeinend in die Reihe der großen Romantiker des vergangenen Jahrhunderts und stoßen ihn – abgesehen davon, daß sie eine unzulässige Simplifikation begehen – aus unserer Zeit aus“ (Vogel 1965, 174f.).

Den Zugang zu Schoeck erschweren noch andere Momente. Schoecks Kunstverständnis wurzelte im 19. Jahrhundert auch insofern, als er dem Wort als Zugang zur Kunst mißtraute. Analysen seiner Werke vorzulegen, hat er sich zeitlebens geweigert und nur widerwillig zugestanden, daß andere diese Aufgabe übernahmen. Auch fand er sich nie bereit, Kompositionsunterricht zu erteilen oder sich in anderer Weise reflektierend über seine Kunst zu ...